Verlassen in der Einsamkeit, die Steilklippen zur rechten, die Schlucht zur linken, rollte der blaue Kleinlaster den schmalen Gebirgspass hinab. Es dämmerte und die Lichtkegel der Scheinwerfer tanzten auf der brüchigen Straße wie ein Paar Marionettenartiger Monde.In dem Gefährt saßen zwei Männer. Der Fahrer, ein großer kräftiger Mensch mit brutalem Gesicht und rauer Stimme, sah äußerst zufrieden aus. "Lief ja wie am Schnürchen, was, Willi?", raunzte er, indessen er seine Tellergroße Hand auf den Rücken des Beifahrers niedersausen ließ. Dieser, wesentlich kleiner und mit einer gewaltigen Hakennase ausgestattet, stöhnte vor Schmerzen auf, nickte dann aber zustimmend. "Ja, Kurt, auch wenn es ganz schön anstrengend war." Und sich die Schulter reibend, ergänzte er listig: "Aber was für ein Prachtexemplar, der Bursche. Ich sag’s dir; für den muss Fellucini noch was extra abdrücken."Fellucini hieß der kleine Wanderzoo, dessen ganzer Stolz, der Braunbär Bronco, kürzlich gestorben war. Da gab es keine zwei Meinungen- ohne seine Hauptattraktion war der Zoo nicht einmal die Hälfte wert. Allein am Geld fehlte es, um einen neuen Bären zu kaufen, und so hatte Fellucinis Direktor die beiden Männer beauftragt unter dem Siegel der Verschwiegenheit Ersatz zu beschaffen.Tatsächlich war ja auch alles nach Plan verlaufen. Unter gebotener Vorsicht, um unerwünschte Zeugen des verbotenen Unternehmens zu vermeiden, hatte man den Unterschlupf eines kräftigen Bären ausfindig gemacht und ihn überrascht und betäubt. Schwierig freilich war es gewesen das Zentnerschwere Tier anschließend zum Wagen zu transportieren und dort unterzubringen. Meter für Meter hatten sich die Männer in dem unwegsamen Gelände vorangekämpft und dabei immer wieder einen Flaschenzug einsetzen müssen, um ein plötzliches Abrollen des fahrbaren Käfigs zu verhindern. Das Ganze war so mühsam gewesen, dass sie letzten Endes nicht nur Schweißgebadet gewesen waren, sondern tatsächlich einige Kilogramm Gewicht verloren hatten.Um so erleichterter waren die Bärenfänger nach all den Strapazen nun endlich nachhause zu kommen und die versprochene Belohnung zu kassieren. Wenn man das Gebirge erst einmal verlassen hatte, würde der Rest des Weges ein Kinderspiel sein.Doch da fing der Wagen mit einem Mal an zu vibrieren. Irgendetwas polterte."Was war das denn?", rief der Hakennasige Willi erschrocken."Ach, das ist der Bär, der ist wohl aufgewacht", gab Kurt zur Antwort. "Aber es kann ja nichts passieren. Er ist doch im Käf..."Die Worte blieben ihm im Halse stecken als plötzlich ein dunkler Schatten an der Windschutzscheibe vorbeihuschte. Blitzschnell war es gegangen, zu schnell, um erkennen zu können, um was es sich dabei handelte."Gott, Kurt! Was ist das?" Willi starrte seinen Begleiter voller Entsetzen an. Doch als dieser verkniffenem Blickes in die Dunkelheit hinausspähte, um die Ursache des unheimlichen Geschehens ausfindig zu machen, schlug etwas krachend auf dem Dach des Autos auf. Und gleich noch einmal. Es schien fast so, als bewerfe Jemand den Wagen mit Steinen."Du, das ist mir nicht geheuer", näselte Willi. "Gib doch Gas, dass wir wegkommen.""Geht nicht", entgegnete Kurt. "Der Pass ist zu eng, um hier zu beschleunigen. Man kann unmöglich schneller fahren, das wäre zu gefährlich.""Und was machen wir jetzt? Ich meine... da draußen ist doch irgendwas...""Ja, sieht ganz danach aus." Kurt überlegte. An Spuk und Übersinnliches glaubte er schon rein aus Prinzip nicht, und so war er davon überzeugt, dass es sich bei den Ereignissen dort draußen um einen schlechten Scherz handelte. In seinem grenzenlosen Selbstwertgefühl und der Auffassung, dass es grundsätzlich niemand wagen dürfe sich mit ihm anzulegen, konnte er sich derartige Dreistigkeiten natürlich nicht gefallen lassen. Sein Gesicht nahm also einen entschlossenen Ausdruck an und er versetzte grimmig:"Wir müssen der Sache auf den Grund gehen. Gib mir das Gewehr!""Was??", stammelte Willi. "Du willst doch wohl nicht etwa da raus?""Natürlich, du Angsthase. Oder willst du nicht wissen, wer uns da zum Narren hält? Außerdem können wir hier drinnen gar nichts machen, sind praktisch ausgeliefert.."Und ohne auf die beschwörenden Zurückhaltversuche seines Begleiters einzugehen, trat Kurt auf die Bremse, entriss dem kreidebleichen Willi unsanft das Gewehr, öffnete die Fahrertür und trat hinaus in die Dunkelheit.
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