In einem hessischen Schloss in Auerbach um 1586.Früher Vormittag.Prinzessin Anastasia von Auerbach liegt immer noch in ihrem Bette.Mit ihrer zierlichen Gestalt, ihren langen blonden Haaren und den meerblauen Augen gleicht sie einem Engel.Doch Prinzessin Anastasia ist alles andere als das. Der Hochmut und der Stolz beherrschen sie. Noch nie in ihrem Leben hat sie einen Finger krumm gemacht. Wozu hat sie denn ihre Mägde, Knechte und Zofen? Die sollen sich doch nicht so anstellen, diese Ungeziefer. Bis jetzt kam noch kein freundliches Wort über ihre Lippen, geschweige denn eine nette Geste von ihrem Herzen.Für gewöhnlich liegt die Prinzessin bis mittags in ihrem Bette und schläft. Den Morgen kann sie nicht ausstehen. Viel zu grell erscheint ihr das Licht der Sonne. Überhaupt hat sie keine Freude an den schönen Dingen des Lebens, wie Sonnenuntergängen, blühenden und duftenden Blumen oder Tieren. Sie hasst alles das, was ihre Schwester Alia so liebt: den fließenden Bach, die blühenden Blumen, die Tiere des Waldes und die einfachen Menschen, die Alia in ihrem Leben am meisten bedauert. In ihren Augen sind Zofen oder Bauersleute keineswegs Ungeziefer, sondern liebenswerte Geschöpfe, die ihre Gefühle zeigen können, was bei Hofe kaum vorkommt. Geheiratet wird nur aus machtpolitischen Gründen. Für Liebe ist hier kein Platz.Alia hat eine reine, gute Seele. Jedoch ist sie in den Augen ihrer Schwester ziemlich entstellt und kann in puncto Schönheit mit ihr kein bisschen mithalten. Alia hat nicht so eine zierliche, gebrechliche Statur wie ihre ältere Schwester. Sie kann es auch nicht leiden, wenn ihr alles hinterher getragen wird. Auch bringt sie nicht den ganzen Tag im Schloss zu. Sie liebt es, mit den Pferden durch die Wälder zu reiten. Jedoch allzu weit, zu den Dorfbewohnern, darf sie nicht reiten. Mit ihren langen braungelockten Haaren, ihren großen braunen Augen strahlt sie Wärme, Gutmütigkeit und Freude am Leben aus. Anastasia hält nicht viel von ihrer Schwester, deren Sinn für Gerechtigkeit, deren Kühnheit, Mut und Klugheit ihr allmählich auf die Nerven gehen. Ein weiterer Bonus ist die Liebe des Vaters, die gegenüber Anastasia keine Grenzen kennt. Für seinen blonden Engel würde er einfach alles tun.Bereits früh morgens zieht sich Alia an, um den Sonnenaufgang beobachten zu können. Für sie sieht er jedesmal anders aus. Das, was ihre Schwester zu Tode langweilt, erweckt in ihr immer wieder ein Glücksgefühl, das für sie unbeschreiblich, ihre Schwester Anastasia unbegreiflich ist. Auch den Schwalben schaut Alia so gerne zu, wenn sie sich auf den Weg in Richtung Süden begeben. Ihre Schwester hasst Tiere und versteht die Vernarrtheit Alias nicht.Mit einem lauten Knarren öffnet sich die Tür zu Anastasias Gemach. Es sind die Zofen, die vom König die Order erteilt bekamen, die junge Prinzessin doch nun endlich zu wecken, da heute der Ball stattfinden soll und es noch eine Menge zu besprechen gibt. Als Anastasia entdeckt, wer sie da so unsanft aus ihrem Schlaf gerissen hat, schreit sie in rasender Wut die Eindringlinge an und lässt sie von der Palastwache sofort aus ihrem Zimmer entfernen. Dann wendet sie sich Maximus, dem Oberhaupt der Palastwache zu: "Ich möchte nicht noch einmal so unsanft aus meinen Träumen gerissen werden." Der Kommandeur der Truppe ist dazu gewillt die Befehle der Prinzessin auszuführen, selbst wenn er dadurch Verrat am König begeht. Doch bisher ist der König noch nicht hinter die Machtspielchen der beiden gekommen. Es ist auch unschwer zu erkennen, dass Maximus der älteren Prinzessin verfallen ist. Für sie würde er sogar sein eigenes Leben opfern. Doch Anastasia, so wie wir sie kennen gelernt haben, liebt nur sich und nutzt die Verliebtheit des Maximus nur aus. Seine Gefühle zählen für sie nicht.Da die Prinzessin jetzt sowieso nicht mehr einschlafen kann, lässt sie sich ihre Gewänder bringen und ankleiden. Es mussten die Schönsten der Schönen sein, da sie ja heute Abend auf dem Ball etwas Besonderes sein wollte. Und überhaupt musste es für sie immer das Beste vom Besten sein. Alia war da ganz anders. Sie genoss es nicht, eine Prinzessin zu sein. Das höfische Leben war ihr vollkommen fremd und tat ihrem Herzen und ihrer Seele nicht gut. Ein Leben im Dorf als arme Bauerntochter wäre ihr größter Wunsch. Denn dort verstehen die Menschen, zu leben. Doch wenn ihr Vater das erführe, würde er sich nur unnötig grämen und seine Jüngste doch nicht gehen lassen. Seit ihre Mutter gestorben war, war zwar Anastasia sein Liebling, doch auch Alia war ihm nicht unwichtig. Trotzdem sollte Anastasia bald die Herrschaft im Reich übernehmen. Deshalb wird heute Abend der Ball stattfinden. So würde Anastasia genug Männer zur Verfügung haben, um sich ihren zukünftigen Mann auszuwählen.Doch nun ändert sich die Umgebung, in der wir uns befinden!Wir sind zwar im gleichen Königreich, jedoch nicht mehr im Schloss, sondern im Dorf. Hier lebt Romualdo mit seiner Familie und seinen Freunden. Wie alle im Dorf, lebt auch er und seine Familie in ärmlichen Verhältnissen. Zu hoch sind die Steuern geworden, zu hoch der Preis, um hier im Schutz der Wachen des Königs leben zu können. Romualdo hat viele Freunde, aber auch weibliche Verehrerinnen. Ganz besonders jetzt, wo er sich im heiratsfähigen Alter befindet. Im Dorf ist er für seine Kühnheit, seinen Großmut, sein Gespür für Gerechtigkeit, seinen Mut, seine Klugheit und für seine Schönheit bekannt. Es gibt kein Dorfmädchen, das nicht einmal gerne mit Romualdo einschlafen und am nächsten Morgen wieder mit ihm aufwachen will. Doch Romualdo wartet auf die große Liebe; die Frau, welcher er sein Herz auf ewig schenken und es niemals wieder zurückfordern wird. Leider hat er sie bisher nicht gefunden. Aber er spürt, dass sie für ihn dasselbe empfindet und irgendwo in der weiten Welt auf ihn wartet.Er hat es sich fest in den Kopf gesetzt, heute Abend beim königlichen Hofball zu erscheinen, auch wenn er dort den Tod finden sollte. Denn die Gesetze hierzulande sind sehr streng. Auf Betrug steht die Todesstrafe. Dieser wird sich Romualdo aussetzen müssen, da er nur verkleidet durch das Hoftor gelangen wird. Bauern, Bettlern und Dorfleuten ist die Anwesenheit schließlich untersagt. Vielleicht will Romualdo auch wegen des Abenteuers oder der Herausforderung unbedingt bei Hofe sein.Währenddessen wird am Hofe des Königs alles vorbereitet. Der Koch hat mit seinen Gehilfen alle Hände voll zu tun, denn was wäre ein königlicher Ball ohne die Krönung - die feinsten Delikatessen aus allerlei Ländern. Aber auch die Diener und Zofen sitzen nicht untätig herum. Ihre Aufgabe ist die Dekoration und die Musik. Alles muss perfekt sein; an so einem Tage darf nichts schieflaufen!Die Palastwachen kommen erst am Abend zum Einsatz. Sie sind für die Sicherheit des Königs und seiner Töchter und für den reibungslosen Ablauf des Festes verantwortlich.Endlich ist es so weit: Die Fanfaren der Turmbläser erklingen - das Zeichen für die Eröffnung des Balls.Auch Romualdo hat sich unter die Menge gemischt. In seinen feinen Gewändern, die er einem Grafen weggenommen hatte als dieser außer Reichweite seiner Bediensteten war, war es kaum zu erkennen, dass er nicht adeligen Geschlechts abstammte. Für Romualdo war es auch keine Schwierigkeit gewesen, dem Grafen mit seiner Hand eins überzuziehen. Der Schlag war ein Volltreffer - und ohne zu wissen wie ihm geschieht, lag der Graf auch schon am Boden.Auf dem Ball sieht Romualdo Anastasia. Er bewunderte ihre Schönheit, die im ganzen Reiche gepriesen wird. Doch er konnte auch ihre Kaltherzigkeit beobachten, als Anastasia ihre Dienstmagd von der Palastwache abführen ließ, weil diese nicht rechtzeitig mit dem Kleid für den heutigen Abend fertiggeworden war. So musste die Prinzessin eines ihrer vielen Kleider anziehen, die ihrer Meinung nach "nichts weiter als Lumpen" waren. "Doch um diese ‚Lumpen’ bezahlen zu können, muss mein Dorf Hunger leiden", dachte Romualdo und wandte der kalten Schönheit den Rücken zu.Doch plötzlich steht Prinzessin Alia vor ihm. Als Romualdo ihrem Liebreiz und ihrer Wärme begegnet, ist es um ihn geschehen. "Dieser Frau und keiner anderen soll mein Herz auf ewig gehören" und bei diesem Gedanken kniete sich der Bauernsohn vor seine Angebetete und erwies ihr die Ehre. Als Alia den ihr noch unbekannten Mann entdeckte, wurde ihr heiß und kalt zugleich, alles drehte sich in ihr und auch sie wusste, dass dies der Mann ihres Lebens war. Er war es, der ihr immer wieder im Traum erschien war, jedoch nie sein Gesicht gezeigt hatte.. Aber nun stand er vor ihr und an dem Leuchten seiner Augen erkannte sie, dass auch er so fühlte wie sie. Obwohl sich die beiden nicht kannten, kam es ihnen während des Tanzes so vor, als würden sie sich schon ewig kennen. Ihre Seelen waren tief miteinander verbunden. Romualdos Seele war nun Alias. Und in diesem Moment verschmolzen ihre beiden Herzen zu einem. Nie wieder würden sie sich trennen, nie sollte etwas zwischen ihnen stehen.Als Romualdo sich auf den Weg zurück zu seinem Dorf macht, sinnt er über die heutige zauberhafte Begegnung mit Alia nach. Er weiß nicht, warum er zum Ball gegangen war. War es der Nervenkitzel? War es eine Chance, das höfische Leben kennen zu lernen? Oder war es die Liebe, die ihre Flügel ausgebreitet hatte und ihn mit sich trug, mit ihm über Berge und Wälder schwebte, um ihn hier, im Schloss des Königs, abzusetzen?Die Treffen der beiden Verliebten wurden nun immer häufiger. Aber niemand durfte davon erfahren. Denn sonst wäre Romualdo dem Tode geweiht. Doch das Schicksal wollte es anders.
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