Sonnenaufgang - es war ein gutes Licht. Golden, warm und klar. Wie immer, wenn die Grashalme an der Reihe waren, Licht zu erzeugen.In goldenen und gleichmäßigen Wellen verließen die Lichtimpulse den Boden.Es war so ähnlich, als wenn der Wind durch reife Weizenfelder streicht. Nur war die bewegende Kraft hier kein Wind. Und die Grashalme waren eigentlich auch alles andere als Gras, aber das fiel nicht weiter ins Gewicht.Zufrieden wanderten die Sinne umher. Sorglosigkeit. Doch nein, nicht ganz. Da war etwas, ganz tief im Hintergrund. Eine Art Rufen. Nichts, was man genauer bestimmen konnte. Eine Art Sehnsucht? Ja, irgendein Drang. Es tat gut, ihm zu folgen. Etwas musste erreicht werden. Nur was? Es schien im Moment noch rein nebensächlich zu sein, doch war es diese Kraft, diese Sehnsucht, welche das erste Handeln auslöste. Und so ging es einfach los. Knietief durchstreifte es die goldenen Wellen und ging weiter, immer weiter.Die Arme berührten des Öfteren die höheren Halme, was einer zärtlichen Berührung gleichkam.Es war noch kein exaktes Zeitgefühl vorhanden, doch dauerte dieser Zustand wahrscheinlich mehrere Tage an. Es war alles gut so, wie es war.Dann, eines Tages, wurde der Wunsch wahrnehmbar, irgendetwas erreichen zu wollen. Ein Drang, irgendwo hin zu müssen. Die Richtung, in die es sich bewegte, schien mit einem Mal nicht mehr ausschlaggebend zu sein. Die Beine trugen es noch mühelos weiter, aber die Arme begannen zu jucken. Doch wohin sollte es gehen? Was war da, das so sehr drängte?Es war eine Art Wispern zu vernehmen, angenehm, aber drängend. Es schien von hoch oben zu kommenZögernd wanderte der Blick zum ersten Mal nach oben in eine Region, die es vorher noch nie geschaut hatte. Die leuchtende Ebene wölbte sich mit zunehmender Entfernung leicht nach oben. So, als ob es einen leichten Berg hinauf ging. Doch die Ebene stieg immer mehr an. Je höher es sah, desto steiler schien der Anstieg. In jeder Richtung bot sich dasselbe Bild. Langsam kam eine gewisse Erkenntnis durch. Das Bild, das sich bot, wenn man den Kopf nur weit genug in den Nacken legte, war eine golden leuchtende Landschaft aus sehr großer Höhe betrachtet.Sie ließ sich an einem kleinen Teich nieder und begann zu trinken. Das silberne Wasser tat so gut und stärkte es wie niemals zuvor. Als es sich zurückbeugte, sah es zum ersten Mal ihr Spiegelbild in der Wasseroberfläche. Und das glatte Spiegelbild formte sich zu einer Kugel, in dem es sich selbst sitzen sah.Ja, in der Tat, es saß auf der inneren Seite einer gewaltigen, leuchtenden Blase. Einer riesigen Blase aus goldenem Licht. Und plötzlich war auch die Erkenntnis da, dass genau die andere Seite erreicht werden musste.Es kratzte sich immer stärker an ihren Unterarmen. Die gegenüberliegende Seite der Blase. Ja, das war es! Zum ersten Mal war so etwas wie ein Ziel zu erkennen. Aber es war so weit, viel zu weit. Und diese Arme ...!Das Jucken war mittlerweile sehr störend geworden. Es sah sich die Arme genauer an. Unter der stark geröteten Haut sah es deutlich die beiden Unterarmknochen, die sich gegeneinander bewegten, wenn es die Hand drehte. Es ballte eine Faust, um darauf hin die Hand wieder zu öffnen. Aufgequollen. Alles war irgendwie viel zu stramm. Es drehte die Handfläche nach oben und sah sich den Daumen genauer an. Schon ganz geschwollen war der Daumenballen. Es biss die Zähne zusammen und ballte nochmals die Hand zur Faust zusammen, als sich plötzlich mit einem schmatzenden Geräusch der Daumennagel verschob. Die Haut platzte leicht auf, als unter dem Nagelbett des Daumens eine klare Flüssigkeit austrat.Weiter so ... dachte es, weiter. Die Haut am Daumennagel begann aufzuplatzen wie die Oberfläche einer reifen Frucht. Zwei Zentimeter, drei Zentimeter.Es spannte den Arm an. Mit einem schmatzenden Geräusch riss in einem Schlag die gesamte Haut bis zum Ellbogen auf. Ein Schwall klarer Flüssigkeit floss heraus.Es schmatzte leicht weiter, als sich plötzlich der Daumen leicht von der Hand löste. Aber auch die gesamte Hand trennte sich mit einem kurzen Knirschen vom Handgelenk. Es schien, als ob sie nur noch an einem Unterarmknochen befestigt gewesen wäre, als sie sich seitlich abwinkelte.Und dann wurde der dritte Unterarmknochen sichtbar, der bis dahin verborgen geblieben war. Wie ein zusammengefalteter Zollstock begann nun das neue Gebilde, sich auszustrecken. An einem Ende immer noch die Hand mit ihren fünf Fingern streckte sich der neue Arm nach Außen.Welche Erleichterung!Aah, wie angenehm das war. Frei ...!Es blickte auf den linken Arm, an dem dieselbe Verwandlung bereits eingesetzt hatte. Aah, ... jaa! Und noch während es die beiden Arme zu der gesamten Länge ausstreckte, bemerkte es einen hauchdünnen Film, der sich zwischen den Händen und der Hüfte spannte.Überrascht und glücklich zugleich betrachtete es die noch feuchten, zerbrechlichen Schwingen, die in allen Regenbogenfarben schillerten.Ein warmer Sonnenwind flüsterte immer lauter, umstreifte die schillernden Flügel und begann sie langsam zu trocknen. Mit weit ausgebreiteten Schwingen stand es da, den Kopf weit in den Nacken gelegt, und stieß sich mit einem gewaltigen Satz ab, dem flüsternden Ruf entgegen. Opalisierende Schwingen glitzerten im gleißenden Sonnenlicht.Und endlich, als es sich inmitten der Kugel befand, sah es, dass da nicht nur eine Kugel war.Es gab Hunderte davon, Tausende, Millionen! Wie Seifenblasen waren sie da, jede für sich, doch alle miteinander verbunden. AI, Ebene der Wächter:Wächter 5: "Sie ist angekommen. Das Bewusstseinskonzentrat hat den Initialschock überwunden, Basisauslegungen sind wieder aktiv."Wächter 4: "Alle Transferkomponenten sind grundbereinigt. Ihre Erinnerungssektoren Gelb bis Purpur sind eingefroren. Sämtliche Fähigkeiten ab der 14. Stufe sind isoliert."Wächter 5: "Sehr gut. Pseudo-Erinnerungen sind aktiv - die Ausbildung kann beginnen." Zwischenwelt:Ein lang gezogener Schrei überzog die Ebene. Dichte Wolken standen am Himmel, orange beleuchtet von der zweiten der untergehenden Sonne. Eine körperlose Stimme war zu vernehmen. Wie ein weit entferntes Flüstern hallte zusammen mit dem Wind ein Wort über die Ebene:"Eleeya..."Ein kleines Mädchen, mochte sie drei oder vier Jahre alt sein, lag in Tüchern eingehüllt im Gras und öffnete schreiend ihre Augen.Es war das erste Mal, dass diese riesigen, kobaltblauen Augen das Licht dieser Sonne erblickten. Es schreckte hoch und stützte sich, immer noch schreiend, auf den Unterarmen nach hinten ab. Plötzlich wurden in den bewegten Wolkenmassen zwei düstere Augen erkennbar. Die Stimme erklangt wieder, diesmal lauter, drängender!"...Eleeya!"Das Mädchen stockte. Mit weit aufgerissenen Augen blickte es in den Abendhimmel hinauf. In diesem Moment klärten die Wolken auch etwas auf, und die riesigen Augen am Himmel wurden deutlicher. Ein sehr gütiges, freundliches Gesicht war nun zu erkennen."Eleeya, mein Mädchen, kannst du mich hören?"Das Mädchen war mit einem Mal sehr aufgeregt, und ein Lächeln zeigt sich auf ihren Lippen: "...Vater?"Das Gesicht des Wesens, so wie es aussah, als es vor vielen tausend Jahren noch einen Körper besaß, zeigte ein entgegenkommendes Lächeln.Langsam wurden auch ein Oberkörper und Arme erkennbar. Ein älterer Mann in einem togaähnlichen Gewand blickte auf das Mädchen herab und streckte ihr eine offene Hand entgegen. Das um den Stirnkranz verbliebene, schneeweiße Haar fiel schulterlang herab.Um den Hals trug er ein faustgroßes Medaillon mit zwei stilisierten, ineinandergreifenden Spiralarmen, die sich umeinander drehten."Ja, mein Mädchen!" antwortete er. Das kleine Mädchen lachte. Kleine, spitze Ohren mit ein paar Haarbüscheln an den Enden stellten sich auf."Vater ...!" quietschte es. "Eleeya war so allein - hatte Angst! Vater ...!"
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